Ich lasse es jetzt noch einmal ruhiger angehe, mache einfach kürzere Etappen.
Als ich Sonntagmorgen Santiago in Richtung Muxia verließ musste ich auf meinem weiteren Weg wieder den Vorplatz der Kathedrale queren, was soll ich sagen? Mir begegneten wieder meine drei Italienischen Seniori aus Como und Rom, so konnten auch wir uns noch voneinander verabschieden.
Für meinen Weg nach Muxia habe ich vier kurze Etappen eingeplant. Danach geht es noch einmal etwas anstrengender nach Fenisterre, dem Ende der Welt und dem Ende meiner Reise.
Meine Rückreise musste ich etwas umdisponieren, da der ursprünglich von mir geplante Fernbus mangels Nachfrage abgesagt wurde. So muss ich bereits am kommenden Samstag aufbrechen und werde voraussichtlich schon am Sonntagabend zu Hause sein. Das heist aber auch das mir jetzt ein Tag fehlt.
Aber keine Sorge, über Muxia und dem Abend am Kap Fenisterre, wie auch meinen letzten Abend in Santiago werde ich noch ein wenig schreiben.
Ich erwähnte es ja schon, auf dem Camino kann man sich einfach nicht aus dem Wege gehen…aber das will man doch eigentlich auch nicht.
Die letzten Tage hatte ich es ruhig angehen lassen, hatte meine Tagesetappen reduziert, schließlich wollte ich mich nicht irgendwann einmal selber überholen.
Heute aber war, um es sportlich zu formulieren „Zieleinlauf“. Zumindest in Santiago.
Wer wie ich von Süden kommt muss auf dem Weg zum Pilgerbüro erst den Platz vor der Kathedrale diagonal kreuzen. Bereits dort konnte ich eine Reihe von Weggefährten der letzten Tage und Wochen wiedersehen und grüßen. Nach dem ich im Pilgerbüro meine Urkunden erhalten habe musste ich wiederum den Vorplatz der Kathedrale diagonal kreuzen. Dabei liefen mir in die Arme, oder soll ich sagen lief ich den beiden italienischen Peregrinas Lara und Paola, von denen ich schon am Anfang des Weges berichtet hatte, in die Arme. Gemeinsam mit zwei weiteren, spanischen Pilgerbekanntschaften haben wir uns zum Abendessen verabredet und einen wunderbaren Abend in der von mir favorisierten Tapasbar in Santiago verbracht. Leider brechen die vier morgen schon nach Hause auf.
Ich werde Morgen mal schauen das ich für das nächstes Wochenende mein Fernbusticket nach Hause bekomme und schauen wen ich vielleicht noch in den Altstadtgassen von Santiago wiedersehen werde.
Es geht mir genauso wie vor vier Jahren…so kurz vor dem ersten wichtigen Ziel kommt eine Euphorie in mir hoch. Eine Freud, eine Ungeduld, aber auch wieder eine gewisse Melankolie. Aber dieses Mal bremse ich mich. Zwei entspannte Etappen von jeweils knapp 25km liegen noch vor mir. Auch jetzt habe ich mir wieder ein etwas komfortableres Hotel vorgebucht, etwas Komfort und etwas mehr Körperpflege müssen halt sein. Zweimal werde ich in Santiago übernachten und mich dann auf den Rest des Weges nach Muxia und zum Kap Finistère begeben.
Wie schon mehrfach erwähnt, man trifft längs des Weges immer wieder auf neue oder alte Weggefährten. Auch heute habe ich in meiner Albergue wieder die drei italienischen Senori getroffen die ich schon seit meiner zweiten Übernachtung nach Lissabon kenne und immer wieder längs des Weges getroffen habe.
Ebenso habe ich dieser Tage Yum, den Rest seines komplizierten Koreanischen Namens spare ich mir, wieder getroffen. Ihn hatte ich bereits in meiner ersten Herberge nach meinem Aufbruch in Lissabon kennengelernt. Er hatte wie auch ich den Plan über Fatima zu gehen. Ich hatte meinen Plan aber wie schon Erwähnt geändert, Yum hatte aber ein Zelt dabei und durfte auf dem Gelände der einzigen, aber ausgebuchten Herberge vor Fatima in einer feuchten und kühlen Nacht zelten. Meine Hochachtung!
Die vergangene Nacht habe ich zum letzten Mal auf portugisischem Boden verbracht. In Fontoura, nur wenige Kilometer vor der Grenze hatte ich eine Privatunterkunft in einer Art Tinyhouse gefunden, es hatte so das Format eines 40Fuß Containers, mit allem was man benötigt zum Leben. Wohnküche, Bad, Schlafraum. Die Südseite war fast vollständig verglast und gab den Blick über ein Tal mit dahinterliegender Berglandschaft frei.
Im Laufe des heutigen Vormittages passierte ich über der „Brücke der Freundschaft“ den Rio Mino, den Grenzfluss der die gesamte Nordgrenze Portugals bildet. An den jeweiligen Enden der Brücke gab es immer noch, die aber schon seit Jahren nicht mehr genutzten Zollabfertigungsanlagen, denn diese sind im Zeitalter des EU-Binnenmarktes überflüssig geworden.
Brücke der Freundschaft
Mit dem überschreiten der Grenze wechselte ich auch die Zeitzone, von GMT +1 (die Sommerzeit der früheren Greenwichmaintime) nach GMT +2 (der Mitteleuropäischen Sommerzeit. Mein Smarthone hat das alles vollautomatisiert, selbstständig vollzogen. Meine gute, alte, mechanische SAR-Uhr aus Mühle Glashütte musste ich mit spitzen Fingern wieder selber umstellen.
Hier im „Gebiet der autonomen Gemeinschaft Galiciens im Königreich Spanien“ sind entlang des Weges, genau wie auch auf dem Camino Frances, wieder die Monolithen mit den Entfernungsangaben zur Kathedrale von Santiago präsent. Morgen werde ich die 100km Distanz unterschreiten und mir ab dann täglich zwei Tagesstempel für meinen Pilgerpass besorgen müssen.
Monolith mit Entfernungsangabe
Noch eine andere Anekdote am Rande: Viele Pilgerherbergen haben eine Art Gästebuch oder auch übergroße Pinnwand auf der man seine Herkunft eintragen kann. In diesen Tagen hatte ich kurz eine Arabisch-Christliche Begleiterin auf meinem Weg, wenn diese den Sticker auf der Pinnwand auf Syrien steckte beziehungsweise beim der Ankunft in der Herberge ihren Pass vorlegte, gab es doch gelegentlich ziemliches Erstaunen.
Heute, am 13. Tage meines zweiten Caminos bin ich in Porto angekommen. Das heißt ich habe ungefähre die hälfte meines Weges Lissabon, Porto, Santiago, Muxia, Cap Finistère geschafft. Wenn ich zu Beginn geschrieben habe das mich Lissabon begeistert, muss ich jetzt einräumen, Porto toppt Lissabon…
Porto, Flußufer des Rio Douro und darüber die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen
Hier in Porto war ich mit meiner Pilgerfreundin Nicole verabredet. Sie ist genau wie ich am 01. April aufgebrochen. Jedoch im Gegensatz zu mir ist sie in Porto gestartet, hat den Weg nach Santiago gemacht, ist heute mit dem Fernbus aus Santiago zurückgekommen und wird Morgen mit dem Flieger die Heimreise antreten, während ich mich weiter auf den Fußweg nach Santiago mache.
Wir hatten einen unterhaltsamen und interessanten Nachmittag und Abend, gut gegessen und lecker getrunken. Es war bereits nach 22.00Uhr als wir auf dem Rückweg in unsere Unterkunft noch einmal an der Kathedrale von Porto vorbei kamen. Im Gegensatz zum Nachmittag war diesmal das Hauptportal geöffnet und sakrale acapella Musik schallte uns leise entgegen. Es war die K-Woche, und der Chor der Kathedrale hatte gerade seine letzte öffentliche Übungseinheit angesetzt. Wir nahmen still in der letzten Bank platz und genossen noch für fast 45 Minuten die Musik und die phantastische Akustik der Kathedrale.
Die Kathedrale von Porto
Sollte sich jemand über die Zeitunterschiede im Zeit/Datumsstempel wundern, in Deutschland ist schon Donnerstag, hier in Portugal noch Mittwoch…
Heute habe ich nach einem regnerischen Tag eine Herberge gewählt, na ja die Auswahl ist hier noch nicht so groß, die ausschließlich nach Donativo, also nach Spenden, bewirtschaftet wird. Außer mir gab es nur eine weitere Peregrina aus UK, und den Hospitaliero, der sich aber sogleich als nur bedingt kochfähig outete…so habe ich zum Dinner den Kochlöffel geschwungen…. und habe mit meinen bescheidenen Kochkünsten für uns drei ein dreigang Menue aus vorhandenen Beständen gezaubert. Es ist erstaunlich gut angekommen. Leider muss ich mich jetzt auch morgen früh um das Frühstück kümmern.
Wir alle sind erschüttert und tief bewegt über das was zur Zeit in der Ukraine geschieht. In Zeiten von mobilem Internet und Smartphone erreichen uns natürlich auch hier die täglichen, aktuellen Nachrichten.
Die einen sehen es so wie die beiden alten Barden und Urgesteinen der deutschen Friedensbewegung Hannes Wader oder auch Reinhart May.
Die anderen wie Andrij Chlywnju, Sänger der der ukrainischen Band Boombox, der seine Amerikatournee abgebrochen hat, sich freiwillig zur Ukrainischen Arme gemeldet und dort ein Ukrainisches Lied neu eingesungen hat. In dieser neuen Interpretation wird er von David Gilmour und Nick Mason den letzten beiden noch aktiven Musikern von Pink Floyd unterstützt die sich bewegt sahen zum ersten mal nach 27 Jahren ein neues Stück einzuspielen, mit dem eingeblendeten Sänger Andrij.
Eigendlich waren es zwei Tage, ideal zum Wandern und ideal um die Natur zu genießen. Der eigendliche Höhepunkt der Wandertage sind aber die Menschen die man als Wanderer auf der Strecke oder an den Abenden in der Herberge kennenlernt.
Seit Tomar hat sich die Pilgerstruktur ein wenig verändert, ich erwähnte es schon zuvor, die langen Etappen und die „Industriekultur“ der ersten Tage, dieses schreckt viele ab, eine ganze Anzahl Jakobspilger sind erst in Tomar auf den Weg eingestiegen.
Aber wie es denn so ist auf dem Camino, kaum hat man sich kennengelernt, schon trennt man sich schon wieder. Die eigendlich geplante Herberge fur Morgenabend ist geschlossen worden, die Alternativen sind ein kurztripp von knapp 19km oder ein anspruchsvoller Weg von 36km. Ich habe mich für letzteren entschieden. So muss ich mich von meinen Begleitern der letzten beiden Tage trennen. Einem Privatier aus Spanien, einer belgischen Schauspielerin, Ina, einer sardinischen Sängerin, Paola, die gemeinsam mit ihrer Freundin Lara, einer ehemaligen Kunstagentnin aus Bologna wanderte. In zwie Herbergen haben wir zwei schöne und unterhaltsame Abende verbracht. Alles sehr weltoffene, feinsinnige Menschen, eben die typischen Menschen denen man auf dem Caminho, wie er in Portugal heisst begegnet.
Aber beginnen möchte ich mit dem gestrigen Abend. Übernachtet habe ich in einer alten Pension, ich denke wenn ich das Gebäude auf ende des 19jahrhunderts schätze ist es nicht untertrieben. Die Wasser- wie auch die Elektroinstallation waren gut erkennbar wesentlich später nachgerüstet worden. Ich hatte für mich alleine ein großes Familienzimmer, mit hohen Decken und riesigen Flügeltüren als Zugang. Ich war der einzige Gast im Haus, so das ich Abendessen und Frühstück mit der Inhaberfamilie einnahm. Eine portugisisch-arabische Familie in der noch immer der alte Patron das sagen hatte. Die Übernachtung inclusive einem üppigen dreigang Abendessen mit reichlich Vinho Verde und einem guten Frühstück kosteten mich mal gerade 30,00€. Der heutige Wandertag hat für die ersten zwei Tage „Industriekultur“ voll entschädigt. Der Tag war nicht zu warm, es hat gelegentlich sogar etwas genieselt, aber gerade bei den zwei, drei steilen Berganstiegen war das eher ideal. In den Ebenen wechselten große Weinfelder mit Obstplantagen. Das begeisternde aber waren riesige Storchenkolonien, die Masten der Überland-Hochspannungsleitungen waren voller Storchennester. Ihr glaubt nicht was eine solche Kolonie „Klapperstörche“ für einen Lärm produziert.
Wer meinen Komoot Account verfolgt hat es vielleicht schon bemerkt. Ich bin nicht wie ursprünglich beabsichtigt nach und über Fatima gegangen. Fatima ist eher ein Pilger Ort für Bus-Pilger-Touristen. Fußpilger wie ich es bin werden auf der Strecke eher etwas Stiefmütterlich behandelt. Der Umweg über Fatima macht in der Summe gerade einmal 20km aus, also eigentlich eine zu vernachlässigbare Größe. In Santarem trennen sich der Jakobsweg und der Weg nach Fatima. Von hier aus sind es noch knapp 60km bis Fatima, auf ungefähr der halben Strecke gibt es nur eine kleine Pilgerherberge, diese war aber bereits für die nächsten zwei Tage Ausgebucht.
Somit habe ich mich entschlossen auf den Besuch Fatimas zu verzichten und bin dem eigentlichen Jakobsweg gefolgt.
Wer den Camino Frances oder auch den Camino Portugiese ab Porto kennt, der wird hier in eine ganz andere Pilgerwelt eintauchen. Die Pilgerherberge, wie auch die Pilger Unterkünfte sind nicht so dicht gesäht wie man es von dem anderen Wegen, bzw, von dem Teilstück ab Porto kennt. Alleine hieraus resultieren die großen Tagesetappen. Auch ist dieses Gebiet nicht so Touristisch erschlossen das die Möglichkeit bestände auf andere Unterkünfte auszuweichen.
Andererseits, man verlässt Lissabon durch seine pittoresken Altstadtgassen. Wenn Rom auf sieben Hügeln erbaut ist, Lissabon muss auf hunderten erbaut sein. Es geht lange nur auf und ab. Danach folgt das heute noch hypermoderne Gelände der Expo von 1998. Die nächsten rund 60km verbringt der Wandersmann entlang der Trassen der Vorortbahnen, beziehungsweise in unattraktiven Industriegebieten. Erst im Laufe des dritten Tages öffnet dich die Flusslandschaft des Tejo und eine längere Strecke führt über die Deichkrone entlang des Flusses.
Hiermit schließe ich für heute in der Hoffnung auf bessere Wegstrecke…
Abschließend noch der Hinweis von mir als bekennender Windowsfan: Dieser Text wurde unter Zuhilfenahme meines neuen Android-Smartphones erstellt. Sollte hier einer der geschätzten Leser Rechtschreibfehler finden, er darf diese gerne behalten…